Bild der Wissenschaft Oktober 1975, Mathematisches Kabinett


Reinhard Lehnert:

Musizieren mit Licht

Die Kunst der Musen: Musik- Bei den alten Griechen umfaßte sie noch alle Künste, die Geist und Gemüt bilden. Erst seit der christlichen Zeit steht der Begriff ausschließlich für die Kunst, Töne zu Akkorden, Melodien, polyphonen und harmonikalen Werken zu komponieren. Kann man dem Auge Ähnliches bieten wie dem Ohr, gibt es eine ,;Lichtmusik"? , Dazu wollen wir nach Figuren der euklidischen Ebene suchen, die ähnlich den Tonleitern als "Formleiter" das Komponieren von ästhetisch und künstlerisch wertvollen, in der Regel gegenstandsfreien Bildern ermöglicht.- als Einzelfigur - vollkommensten ebenen mit dem als Fläche aufgefaßten Kreis. Da bietet sich zunächst die bekannte Figur des "Siebenkreises" an (Abb. 1). Sie ist jedoch für unsere Zwecke zu einfach.

Wie man in der Musik Töne verschiedener Höhe benötigt, kommt man zu einer "Lichtmusik" mit Flächenstücken verschiedener Größe. Wir "schichten" deshalb unseren Siebenkreis. Die Figur in der Abbildung 2 zeigt einen größten Kreis, den wir den zentralen Kreis der Schicht 0 nennen, weiter erkennen wir 7 Kreise der Schicht 2 (Siebenkreis), 7hoch2 = 49 der Schicht 2, 7hoch3. = 483 der Schicht 3.

Alle noch feineren Schichten denken wir uns hinzu, ebenso alle gröberen Schichten -1, -2, . . . über den Rand des größten Kreises auf die ganze Ebene fortgesetzt. Diese Gesamtfigur kann als Formleiter zur Herstellung von "Siebenkreisbildern" benutzt werden, wenn wir von ihren Kreiselementen eine beliebige Auswahl treffen und die anderen wegfallen lassen, Mit einer Schwarzfärbung wird das Bild aufbereitet. Die Abbildung 3 zeigt ein solches Bild. In ihm fehlt von den Kreisen der Schicht 1 der mittlere. Der geschichtete Siebenkreis weist als Formleiter zur Herstellung von Bildern eine wesentliche Unvollkommenheit auf: Lücken in der Gesamtheit aller Kreise einer jeden Schicht. Diese Lücken stören die "körnige Gleichförmigkeit" der jeweiligen Schicht in bezug auf die Mittelpunkte ihrer Kreise. Wir könnten zwar diese Lücken durch das Hinzufügen weiterer Kreise beseitigen. Wir würden aber unübersichtliche und somit unschöne Schnitte mit den Kreislinien der jeweils gröberen Schichten erhalten. Diese Unvollkommenheit ist, wie wir gleich sehen werden, in den "Innensternen" dann über wunden.

Die Abbildung 4 zeigt einen sechseckigen, aus Linien bestehenden "Linieninnenstern", genauer dessen Schichten 0, 1 und 2 in einem sechseckigen Ausschnitt. Ihm zugeordnet sind mehrere "Flächeninnensterne" oder kurz "Innensterne", und zwar ein Berührungs~, ein Überlappungs- und ein Verknüpfungs Innenstern.

Alle drei bestehen aus Flächenstücken, die wir ihre "Grundfiguren" nennen, .Bei der ersten Art sind das die in der Abbildung 4 erkennbaren Sechs-Zacken-Sterne. Sie berühren jeden ihrer sechs Nachbarn in zwei Punkten. Die Abbildung 5 zeigt ein "Innenbild" die ses Innensterns.Die Grundfiguren des zweiten Innensterns sind die in der Abbildung 4 erkennbaren regelmäßigen Sechsecke. Sie überlappen jeden ihrer sechs Nachbarn in einer Raute. Die Abbildung 7 gehört als Innenbild dazu.

Die Grundfiguren des Verknüpfungs-Typs sind die Ringe aus je sechs Rauten. Auch sie kann man in der Abbildung 4 ausmachen. Das Innenbild in der Abbildung 8 unterstreicht den Verknüpfungscharakter.Der Leser wird den Begriff "Innenstern" bereits intuitiv erfaßt haben. Auf eine genaue Definition kommen wir im zweiten Teil (im nächsten Heft) zurück. Die Weitergabe eines Verfahrens zur Konstruktion aller möglichen Innensterne würde hier zu weit führen. Auch den Übergang vom Innenstern zum Innenbild haben Wir schon mehrmals vollzogen: Wir lassen von den Grundfiguren des Innensterns beliebig viele wegfallen und färben den Rest ein, wobei aber keine Grenzlinie unsichtbar werden darf.

So sind die Innenbilder in den Abbildungen 3, 5, 7 und 8 nach folgendem Gesetz gefärbt: Wo Grundfiguren in ungerader Anzahl aufeinanderliegen, ist die Farbe der kleinsten Figur schwarz, bei gerader Zahl weiß. Das soll an der Abbildung 3 erläutert werden.

Im oberen Kreis der Schicht 1 zum Beispiel werden fünf Kreise der Schicht 2 mit je drei Kreisen der Schicht 3 ausgewählt. Diese wiederum beinhalten je drei Kreise der Schicht 4. Letztere überdecken also vier andere (größere) Grundfiguren, es liegen folglich fünf (ungerade Anzahl!) Figuren übereinander, die Farbe der kleinsten Kreise ist schwarz. Die nächstgrößeren Kreise aber sind weiß, da sie die vierte Schicht darstellen.

Wir können auch sagen: Das Bild ist so von außen nach innen gefärbt, daß an jeder Grenzlinie die Farbe springt. Andere Möglichkeiten der Farbbelegung und Hinweise auf die praktische Herstellung von Innenbildern werden wir im zweiten Teil noch kennenlernen. Jetzt wollen wir noch einen anderen Begriff einführen: Ein "Innenspiel" entsteht, wenn mit Farbe und Form eines Innenbildes gespielt wird. Solche Innenspiele könnten Werke einer "Lichtmusik" sein. Die Innensterne würden dabei eine ähnliche Rolle spielen wie die Tonleitern (mit Einschluss der Zwölftonleiter) in der Musik.

[...ab hier gekürzt...]


Leser die eine Anleitung zum Selbermachen suchen, verweise ich vorläufig mal auf "About 2"... ;-)


http://www.lichtmusik.info